Montenegro & Albanien

  • von Glenn Geffken und Julica Norouzi
  • 09 Apr., 2019

– ein kleiner Einblick

Wir wundern uns, wie steinig und unwirtlich der Weg zur montenegrinischen Grenze sein soll. Churchill wird ganz schön gefordert. Zum Glück hat uns Thomas in Wien noch extra starke Stossdämpfer verbaut. Nach einer steilen Wegwindung greift uns die bosnische Grenzpolizei im Niemandsland zwischen Bosnien und Montenegro auf, da uns die Navigation eine alte Straße gewiesen hat. Erst schauen sie grimmig und fragen was wir dort wollen. Als wir erklären, warum wir dort sind, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht und sie meinen, wir sollten doch einfach die Asphaltstraße nehmen, das sei doch etwas komfortabler.
Die kleine Grenze bei Deleuša ist wenig frequentiert. Zwei weitere Autos und ein LKW warten auf ihren Übertritt. Die Grenzer schäkern mit mir und lachen über meine Erklärungen zum Dachzelt. Frau oben, Mann unten. Großen Respekt haben sie für Churchill. Er wird anerkennend abgeklopft.
Montenegro zeigt ein unglaublich aufgeräumtes Gesicht. Alles ist so ordentlich, so gut gepflegt, so gradlinig gestaltet. Nirgendwo liegt Müll und die Vorgärten sind sehr aufgeräumt.
Durch die kargen Berge fahren wir hinunter ans Meer
Mediterranes Flair überall.
 Eigentlich hat der kleine Campingplatz in der Bucht geschlossen, doch für 10€ dürfen wir bleiben. Große Vorfreude auf eine warme Dusche, endlich Haarewaschen, Wäschewaschen, Internet?

Freundlich zeigt die Campingplatzdame auf einen kleinen Verschlag und meint “Solar”.
Wieder koche ich Wasser und wasche – wie inzwischen gewohnt – meine Haare mit Topf. Dafür geht der Strom und ich kann mit dem formschönen Reisefön aus den 1960er Jahren, ein Geschenk von Magnus, sogar meine Haare föhnen. Wie Loreley über dem Meer.
Zauberhafter Morgendunst liegt über der Bucht.
Das Benediktinerkloster Samostan zeichnet sich in milchiger Sonne ab.
Ein Schild weißt hin auf Höhlenmalereien. Ein schmaler Pfad führt den Berg hinauf.
Steile Felswand
Rote Steine
Und wirklich, kleine Pferde und kreuzähnliche Symbole
Bronzezeit
Sonntagmittag in Perast
Hübsche Menschen im Sonnenlicht
Venedig ist nah

Aufwendige Investitionen stehen in Perast in naher Zukunft. Überall wird gebaut. Alles ist wirklich in bester Qualität gebaut. Die Montenegrinischen Handwerker müssen die Besten sein. Sehr stilvoll. Vielleicht wird es in einem Sommer schon zu schön dort sein.
Zwei junge Backpackerinnen stehen am Straßenrand und trampen. Wir nehmen sie ein Stück mit. Sie kommen aus Frankreich und Spanien. Sieben Monate trampen sie durch Europa. Zwischenstopp Kotor.
Überall wird gebaut.
Montenegro ist die Zukunft.

Verschlungene Wege führen über die kleine Halbinsel.
Vor uns liegt das Fort Arza. Die Wellen brechen sich an den steilen Klippen. Kleine Kirchen sind auf vorgelagerten Inseln gebaut.
Sonnenuntergang.
Feuer am Strand.
Als die Dämmerung herein bricht, hält direkt neben uns ein Auto. Ein korpulenter Mann sitzt darin und schaut grimmig in sein Handy. Er wartet. Er will weder Nüsse und noch Feigen. Er bleibt grimmig.

Er beginnt grosse Taschen aus seinem Auto zu räumen, als ein anderer Wagen kommt, packt er hektisch alles wieder ein. Mir ist etwas mulmig. War das ein Gewehr?

Als es ganz dunkel wird, verstehen wir mehr. Im Schutz der Nacht kleidet er sich in einen Tauchanzug, schweres Equipment, Sauerstoffflaschen. Und die Harpune.

Das Harpunenfischen steht in Montenegro unter Strafe, ist aber vermutlich recht lukrativ. Der Schwarzhandel mit Albanien steht hoch im Kurs. Wir beobachten zwei bis drei Taschenlampen, die noch lange unter der Meeresoberfläche der Bucht zu sehen sind. Die armen Fische.

Besonders schlimm ist dieses Problem am nahen Skutria See
Hier mehr dazu
Meeresrauschen
Diese Plätze am Strand sind eigentlich immer etwas schwierig. Zu viele Interessen bündeln sich dort. Touristen wollen den Strand geniessen, Fischer wollen fischen und eigentlich stehen sich alle im Weg. Wir sehen uns nach der Abgeschiedenheit der Berge.

Am Morgen brechen wir auf.
Die Wäsche muss endlich gewaschen werden. Doch in Montenegro sind Waschssalons ziemlich selten. Ganz anders als Autowaschanlagen, die gibt es an jeder Ecke. So wie Tankstellen auch.
Nach einer Recherche in Internet müssen wir feststellen, dass es nur einen einzigen Waschsalon in ganz Montenegro gibt. Nur in der Hauptstadt Podgorica gibt. Wir fahren zur Laundry Lounge, Maša Đurovića,lamela3 ulaz 5, Podgorica. Das Konzept stammt von einer Gründerin aus New York und ist bis nach Manila als Franchise gekommen. Wir landen in einem modernen Vorort von Podgorica. Hochhäuser mit allen Geschäften der täglichen Bedürfnisse ihrer Bewohner sind im Erdgeschoss. Tatsächlich geht dieses Wohnkonzept dort wirklich auf. Unsere Wäsche wäscht in der Laundry Lounge und wir essen schicke Piadina mit Mozzarella und Rucola im italienischen Bistro im Industrial Look nebenan.

Viel Grün in der Hauptstadt Podgorica
Luxusgeschäft reiht sich an Luxusgeschäft
Unser Weg führt wieder in die Bergwelt.
Eine kleine Eco Farm in der Nähe des Skutriasees soll das Ziel für heute sein.
Wir erreichen die kleine Farm am Nachmittag. Niemand ist da. Es sieht etwas verlassen aus. Über die Homepage finden wir die Nummer des Teams. Mia, eine der Gründerinnen des Camps sagt, es sei leider bis zum 1. Mai 2019 geschlossen, aber wir sollen ruhig bleiben.

Es ist wunderschön. Tiger, die Farmkatze begrüßt uns und wir bleiben.
Das Konzept der Farm ist mehr die eines Outdoor Klubs. Drei engagierte Leute haben sich zusammengetan und diesen zauberhaften Ort gegründet. Ein Filmemacher und Koch, ein Dj und Mia, die sich um die Gäste kümmert. Das Leben in der Natur von Mensch und Tier wird hier zelebriert: Farm-to-Table Küche, Ausritte mit den Pferden, schwimmen im See, Wandertouren, Musik aus Naturgeräuschen und eine Artist-Residency gibt es. Im Sommer muss es herrlich sein. Der nahe Fluss rauscht. Die Frösche quaken.
Wir bleiben einen ganzen Tag hier, genießen die Sonne und laufen bis ins nächste Tal. Dieser Ort ist zauberhaft.

Okkoral.me
42°14′42.36″N 19°04′24.48″E
Wir überqueren problemlos die Grenze nach Albanien.
Die Grenzer wünschen uns einen schönen Tag und eine gute Reise. Es duftet nach Holzfeuer.
Wir finden in der Dunkelheit einen Schlafplatz auf einem Kap am Meer. Dieses Kap könnte auch in Irland oder der Bretagne sein. Der Wind pfeift in der Vollmondnacht ums Auto und ruckelt uns sanft in den Schlaf und wenn irgendwo „die weiße Frau“ aufgetaucht wäre, hätte es mich nicht gewundert. Am Morgen hat sich der Wind der Nacht zu einem kräftigen Sturm ausgewachsen. 
Überall liegt Müll. Es ist ein Jammer. Wir sammeln was wir können und tun dies seitdem, an jeden Platz, an den wir kommen. Denn irgendetwas wollen für die Orte tun, an denen wir sein dürfen. Es ist zwar nur kleiner Beitrag, aber es fühlt sich für uns besser an, den Platz schöner zu hinterlassen, als wir ihn vorgefunden haben. Und wenigstens etwas kleines zum Naturschutz beizutragen. 
Durrës hat ein hübsches Gesicht. Die Städte in Albanien sind hübsch gepflegt, wirken so aufgeräumt, sehr mediterran. Uns fällt ein kleines Café auf, das so hip pur aussieht wie es auch in Berlin oder London sein könnte. Es  steht im  krassem Kontrast zu der etwas heruntergekommenen Vortstadtathmosphäre die es umgibt. Es ist schlich und einfach gestaltet, so ganz anders als der sonstige albanische Prunk. Die junge Besitzerin vom Antigua Café begrüßst uns herzlich. Sie hat in England studiert und managt nun das kleine Familiencafé mit hauseigener Rösterei. Sie bringt nun als Pionierin die Third-Wave-Coffee-Culture nach Durrës.
Mein Wunsch war es immer, ab Nachmittag an einem Platz zu sein, um noch etwas vom Tag zu haben und gemütlich dort ankommen zu können. In Ruhe zu kochen, spazieren zu gehen, den Abend zu beginnen und einfach um den Platz zu spüren. Denn viele Plätze haben ihre ganz eigene Chronologie: Sonnenstand, Windverhältnisse, Menschen, die den Platz besuchen, all das verändert sich während des Tages mehrmals. Das lässt sich aber in der Realität nicht immer umsetzen und so haben sich nun ganz unterschiedliche Weisen der Platzsuche entwickelt:

Manchmal fahren wir bis zum Einsetzen der Dunkelheit, um dann eine der vielen Dirt Roads entlang zu kriechen. Denn manchmal ist es einfacher, im Dunklen einen Platz zum schlafen zu finden, da man zwar nichts mehr von der Landschaft sieht, aber schon besser einschätzen kann, wie sich der Platz in der Nacht entwickelt. Oft sind die Plätze, die tagsüber perfekt erscheinen, nachts ganz anders: Am Meer kommen Jugendliche mit lauten Rollern in die Nacht gefahren, um kleine Partys zu feiern oder Fischer kommen mitten in der Nacht, um ihre Boote zu Wasser zu lassen. Wenn wir im Dunkeln kommen, wissen wir meist, was uns erwartet. Mit der zusätzlichen LED-Bar haben wir genügend Licht, um jeden unwegsamen Bergpfad auszuleuchten, was sehr wichtig sein kann, um die Wegverhältnisse gut zu sehen.
Diesen Platz in Albanien finden wir nun in vollkommener Dunkelheit. Es ist nicht wirklich ein Platz, sondern viel mehr ein Felsvorsprung, eine kleine Ausbuchtung des Weges. Rechts geht es steil den Hang hinab, links neben uns erhebt sich der steile Berg. Mit mehreren Steinen unter den Reifen, gleichen wir den Wagen aus, bis er fast eben steht. Und eigentlich mache ich mir die ganze Nacht Sorgen: halten die Bremsen, ist der Gang eingelegt, bewegt sich da etwas? 
Dafür umgibt uns dann am Morgen ein großartiges Panorama. Steile Berge, rötliche Erde, weiter unten sanfte, in vorfrühlingshaftes Grün getauchte Hänge. Zauberhaftes Morgenlicht. Albaniens Bergwelt ist schroff und steil, aber hinreißend schön. Kein Müll liegt irgendwo, die ersten Berg Orchideen strecken ihre Köpfen dem Frühling entgegen.  
Immer wieder stelle ich mir vor, als Hirte über die Berge zu wandern, das Klingeln der Glöckchen im Ohr. Die Tiere weisen den Weg und immer neue Panoramen tuen sich vor meinen Augen auf. Die Weite der Berge wäre unendlich. Ich stelle mir einen kargen Alltag vor und irgendwie bin ich doch froh nach meinen Träumen wieder mit Glenn im Auto zu sitzen und durch die Landschaft zu brausen.
Gegen Mittag erreichen wir den Ohridsee. Hier erinnert uns Albanien an einen Kurort in den italienischen Alpen. Es ist Novrouz, das Fest, das den Frühling einläutet. Die Familien flanieren an der Seepromendade entlang und wir essen köstlichen Fisch bei Ladi.
Alte Männer bei den Booten.
Kaffee in der Sonne.
Fahren Richtung Griechenland.
Die Grenze kommt schneller als gedacht –  
Auf Wiedersehen, Albanien 
Wie die Reise weitergeht, erfährst Du hier...