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Gestrandet in Wien 

  • von Glenn Geffken und Julica Norouzi
  • 28 März, 2019

Wien, 7. Bezirk. Zigaretten heissen auf einmal tschick und alles ist ganz arrrrrrg 

Wir sind mal wieder in Wien. Gestrandet für mehrere Tage. Das war so nicht geplant. Diese Stadt ist zwar einer unser Lieblingsorte, doch eigentlich wollten wir recht schnell Richtung Süden, in die vorführlingshafte Wärme des Balkans. Daraus soll erst mal nichts werden.
Vor unserer Abfahrt war eines der technischen Probleme unseres Wagens eine undichte Stelle an unserem 75 Liter Dieseltank, der einmal vollgetankt, an einer kleinen Stelle zu tröpfeln anfing. Land Rover typisch ist, dass der Tanknehmer des Tanks eine krude Fehlkonstruktion ist, die aus Plastikrohren und einem Bajonettverschluss besteht. Der Bajonettverschluß geht mit der Zeit eine unlösliche Verbindung mit dem Tank ein und jeder Versuch diese mit Balistol, WD 40 oder Rostlöser aufzukündigen, scheiterte. Beim ersten Ansetzen der Schraubenschlüssel an das Kunststoffplastikrohr, zerbrach das poröse Plastik in meinen Händen. Der Wagen war wegen dieses kleinen abgerissenen Plastikröhrchens sofort fahruntüchtig. Wir tauschen den ersten Tank. Es tröpfelt weiter.

Am Samstag vor unserer Abfahrt besorge ich weitere Kleinigkeiten bei BAUHAUS und nutzte die Zeit, um bei der gegenüberliegenden ARAL Tankstelle den Wagen für unsere Abfahrt voll zutanken.

Doch diesmal bildet der Diesel auf dem Asphalt keine Wölkchen, sondern gleicht einem pissendem Orkan. Es spritzt und tröpfelt an allen Ecken. Ich kann es nicht glauben. Ungläubig stehe ich vor der immer größer werdenden Lache. Neugierige bis beunruhigte Blicke streifen mich. Eine Frau verkündet nahezu freudig ihren Bekannten in der Tankstelle, der Jeep würde Benzin verlieren und wir fliegen gleich alle zusammen in die Luft. It´s not a fucking Jeep… denke ich trotzig. Der ADAC kommt zum Glück nach einer halben Stunde und wenigstens die neue Bergeöse funktioniert wie sie soll. Die Seilwinde des Abschleppfahrzeuges zieht Churchill ohne Probleme auf die Rampe.

Wo liegt diesmal der Fehler? Habe ich etwas übersehen? Steht nun unsere Abfahrt auf dem Spiel? Die Werkstätten sind am Wochenende natürlich nicht zu erreichen. Auch nicht der Lieferant des Tanks. Sollen wir bis Montag warten? Im Grunde sind es doch nur vier Schrauben, wieviel können wir dabei falsch machen, diesen Tank einzubauen?

Nun einzuknicken fühlt sich schal an und so nehmen wir das Risiko auf uns, leeren den Tank auf dem Gelände des ADAC und sobald der Dieselpegel unter die Höhe des Tankgebers fällt, hört das wütende Tropfen auf. Mit halbem Tank geht es an diesem Sonntag los.

Churchill schnurrt über die Autoahn als hätte er nie etwas anderes gemacht. Klar, ein Defender verliert immer etwas Öl, der markiert sein Revier wie es immer so schön heisst. Klar, die Bremsen haben auch schon mal besser gegriffen und ein paar kleine Tropfen Diesel bilden sich auch noch immer, wenn wir an der Raststätte halten. Die Tankanzeige steht seit dem Tausch permanent auf Reserve, aber hey, wir sind losgefahren!

Trettman steht knöcheltief im Wasser der Westindies, wir rollen dazu mit 33“ Profilreifen, 300 Watt Lightbar und Grill auf der Motorhaube die Autobahn Richtung Tschechien runter!
Nahe Chemnitz führt die Autobahn über sanfte Hügel. Während wir eine dieser Kuppen heraufsurren, macht der Wagen auf einmal gar nichts mehr. Wir verlieren an Geschwindigkeit und kommen auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Was ist nun schon wieder passiert? Die fehlerhafte Tankreserve hat uns zum Erliegen gebracht. Statt der angezeigten Reserve von 10 Litern, ist der Tank leer.

Warnblinker an, Warnweste heraussuchen und den ADAC anrufen. Zum zweiten Mal in zwei Tagen! Wir warten eine Stunde in der Dämmerung bei Nieselregen neben heran donnernden LKWs auf dem Standstreifen. Mit einem Mal bremst ein Streifenwagen mit Blaulicht scharf ab und kommt hinter uns zum stehen. 

Überrascht stehen wir vor den beiden sächsischen Polizisten mit ihren Schnurrbärrten: Sie sind nicht der ADAC! Stelle ich fest.
Geschäftig ignorieren mich beide und eilen an unseren Wagen heran, schauen unter die hintere Stoßstange. Was kommt jetzt noch? Da verkündet der kleinere von beiden bereits triumphierend: nuh, hier ist noch alles dran!

Ob wir unseren Auspuff verloren haben, wollen die beiden wissen und ich bin erleichtert, wenigstens dieses Problem können wir verneinen. Wir haben nur einen leeren Tank. Skeptisch blicken mich die beiden Polizisten an und zeigen auf den Reservekanister an der Hecktür.
Der ist für Wasser.
Sie zeigen auf den Reservekanister auf dem Dach.
Der ist leer.
Die beiden steigen in ihren Streifenwagen und rasen mit Blaulicht weiter die Hügel vor Chemnitz entlang.

Der ADAC Servicemitarbeiter kommt in seinem gelben ADAC Mobil und hilft schnell und unkompliziert. Für 6 € bekommen wir 5 Liter Diesel eingeflößt und den Hinweis, das in zwei Kilometern, nahe der nächsten Abfahrt, eine Tankstelle zu finden sei.

Jetzt lässt es sich wirklich nicht mehr ignorieren: Wir haben ein Problem. Wir haben ein echt großes Problem!
Die Nacht verbringen wir auf einer Anhöhe zwischen Tannen, mit Blick über sanfte Felder oberhalb von Chemnitz. Beim Aussteigen am Morgen bemerken wir die Sauerei aus dem tropfenden Tank auf dem Waldboden. Eine beschämende Erfahrung, da wir natürlich nicht die Absicht haben, dem Wald und der Natur so etwas anzutun. Wir müssen handeln und ändern unsere Pläne. Statt weiter nach Tschechien zu fahren, ändern wir unsere Richtung und fahren direkt nach Neumark in der Oberfalz.

Dort holen wir bei Nakatanenga das schicke neue Dachzelt ab und zum Glück haben sie dort auch noch einen neuen Tank auf Lager. Wir suchen eine Selbsthilfewerkstatt in der nahen Umgebung und tauschen den dritten Tank. Inzwischen sind wir ein eingespieltes Team und wir schaffen es in weniger als einer Stunde. Es scheint gut auszusehen, vor Wien tanken wir voll, die Dichtmasse ist ausgehärtet. Doch nach einer kurzen Pause entdecken wir wieder Tropfen auf dem Boden unter dem Auto.
Kurz vor Wien entscheiden wir ihn zu der Werkstatt Tomax4x4 in Brunn am Gebirge zu bringen. Aus irgendwelchen Gründen tropft der Tank immer noch und es wäre verwegen, damit diese Reise zu beginnen. Wir brauchen etwas Unterstützung und vielleicht doch noch ein paar Ersatzteile, denken wir. Nach der fachkundigen Analyse des Meisters wird schnell klar, es liegt einiges im Arrrrrgen.

So können wir auf keinen Fall eine solche Reise beginnen. Eigentlich ist nur der Motor in Ordnung: Schon bei Getriebe, Differential, Radlagern und Fahrwerk hört der Spass auf und schon bald würden einige Teile ganz ihren Dienst versagen. 
Gefahr in Verzug hören wir in diesen Stunden oft. 

Nun gibt es nur zwei Abzweigungen dieses Weges: 
entweder entscheiden wir uns für eine größere kostspielige Reparatur oder den Abbruch der Reise. 
Ziemlich schockiert entscheiden wir, dass Churchill beim Defender Spezialisten Tomax bleibt und dort generalüberholt wird. Er hat viele der benötigten Teile vorrätig, ist seit 20 Jahren auf Defender spezialisiert und eigentlich der erste, der Churchill wirklich mit Argus Augen anschaut.

Die beiden Berliner Werkstätten in denen Churchill war haben ihre Sache mehr schlecht als recht gemacht und lassen uns fahrlässig so losfahren. Die eine ist eine ausgewiesene Defender Werkstatt, wir haben mehr als zwei Monate auf einen Termin gewartet und wir hörten immer nur: Das kannst Du selbst machen… muss man nicht tauschen… das gehört so… 

Wir fühlen uns gelinde gesagt verarscht und ziemlich im Stich gelassen, fast schon übers Ohr gehauen. Ein schlimmes Gefühl. Jetzt brauchen wir ersteinmal ein Schnitzel und einen Schnaps. In einem ziemlich schrägen Restaurant im Industriegebiet von Brunn werden wir fündig...
Wir haben großes Glück, solche Freunde wie Uli und Klaus in Wien zu haben. Felix ist der Kindergartenfreund von Oskar und Töchterchen Ida ist inzwischen drei Jahre alt. Wir dürfen bei ihnen unterschlüpfen, solange wir auf den Wagen warten. Danke für diese grosszügige Gastfreundschaft, für die wir uns immer gerne revanchieren werden.

Nachts wache ich auf und grüble darüber nach, wie es zu dieser totalen Fehlkalkulation kommen konnte. Die Summe für die Reparatur ist fast so hoch wie der Kaufpreis des Wagens und der war für ein 32 Jahre altes Auto nicht gering. Ich bin kein KFZ Meister und Automechanik ist komplexer als ich es wahrhaben wollte, das die Erkenntnis der Morgendämmerung. 
Andererseits ist der Wagen aus eigener Kraft bis Wien gekommen… 
Und wir wollen mit ihm bis nach Usbekistan.
Es ist noch immer Winter, auch wenn wir uns danach sehnen, schon tausend Kilometer weiter südlich zu sein. In der Sonne sitzen und einen Kaffee zu trinken, bleibt ein kurzes Vergnügen. Wir huschen von der Kälte getrieben durch die Gassen Wiens. Ein paar Geschäfte, ein paar Besorgungen hier und dort. Abends gehen wir ins Kino. Zweimal hintereinander. Und sogar die Wiener Kräne spenden Trost.
Vielleicht soll es einfach auch nur eine Zwangspause sein, damit wir in Ruhe am Blog arbeiten können und mal wieder Zeit haben, ins Museum zu gehen und die Stadt zu erleben. Wer weiss das schon so genau? 
Im schönen Café Burggasse24 haben wir einige Zeit bei Verlängertem zugebracht. 
Die Architektur Wiens ist immer wieder spektakulär. Der überbordende Prunk der Jugendstilhäuser, verschwenderisch in ihrer Grosszügigkeit, die schiere Grösse der Verwaltungsämter, die gigantischen Museen und hinzu kommen dabei die wirklich erfrischenden Neubauten. Und das nicht erst seit gestern: auf der Fahrt mit der Regionalbahn von Brunn am Gebirge, dort ist die Werkstatt von Tomax, fahren wir an vier aufragenden Wohnturm-Komplexen aus den 1970er Jahren vorbei. Aus ihrer pyramidenhaften Basis verjüngen sie sich nach obenauf.

Die sogenannte Grosswohnsiedlung Alterlaa im zweiundzwanzigsten Bezirk ist allein durch ihre Grösse schon beeindruckend, doch der Wikipediaartikel verspricht noch mehr: Schwimmbäder, Gemeinschaftsräume und eine hohe Zufriedenheit unter den Einwohnern werden hervorgehoben.

Berlin wirkt meist an den Stellen imposant, an denen etwas architektonisch mächtig schief gelaufen ist. Wien hingegen wirkt oftmals als hätte es tatsächlich eine bessere Zukunft in der Vergangenheit geben können. Mich erinnern diese Wohntürme an die franko-belgischen Comics der siebziger Jahre – die Minimenschen – in denen eine spacige Zukunft en vogue war. Fliegende Autos, zufriedene Zukunftsmenschen und begrünte Wohnblöcke mit riesigen Blocknummern. 
Das Bild von Alterlaa stammt von Thomas Ledel, 2016. Via Wikipedia
Nach einigen Tagen in den Caféhäusern und Museen Wiens sind wir aufgeladen und holen nachmittags den generalüberholten Churchill bei Thomas ab. Das Verhältnis zu ihm und seiner Frau wie auch zu seinen Mitarbeitern ist inzwischen fast schon freundschaftlich.
Zuvor haben wir noch, direkt um die Ecke der Werkstatt, Europas größtes Zentrum für Hanfkultur – Grow City – entdeckt. Wirklich imposant. In Österreich ist der der Anbau der Pflanzen übrigens legal, nur ernten darf man nicht, wurde uns erklärt.
Wir bleiben eine Nacht in den Hügeln vor Wien. Nachdem Thomas am nächsten Tag einen letzten Check-up macht, können wir aufbrechen und nun geht es wirklich los in Richtung Süden.

Bald werden wir über den Balaton, Ungarn weiter über Kroatien, Montenegro und Albanien berichten. 
Inzwischen sind wir in Griechenland angelangt und bald lest ihr mehr von uns. 
Wie die Reise weitergeht, erfährst du hier...
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